Der Weg zum wahren Selbst
1. Der Ruf
Das Leben verläuft in seinen gewohnten, oftmals verschlungenen Bahnen – bis plötzlich etwas geschieht: eine Erkenntnis, eine innere Stimme, ein Traum, ein dramatisches äußeres Ereignis, ein Naturerlebnis, ein Impuls aus einem Gespräch, ein Gedanke aus der Stille, eine Eingebung im Alltag. Alle tragen dieselbe Botschaft: Kehre um. Mach dich auf den Weg. Es ist Zeit für etwas Neues.
Oft ist es ein Ruf nach einer neuen Aufgabe oder ein Ruf, einen inneren Weg zu betreten. Manchmal ist es eine Krise, in der wir noch gar nicht erkennen, dass dahinter ein Ruf steht. Dieser Ruf trifft uns meist in Momenten, in denen wir ihn nicht erwarten. Wir sind überrascht – vielleicht sogar erschrocken. Denn wir spüren: Wenn ich das wirklich umsetze, wird sich mein Leben verändern – und zwar grundlegend.
Nun gilt es gut hinzuhören:
- Ist es eine echte Sehnsucht?
- Oder eine Täuschung, die uns davon abhält, schwierige Situationen durchzustehen?
- Ist es ein Ruf des Herzens – oder ein Impuls, einer Pflicht zu entfliehen?
2. Die Entscheidung

Wenn wir tief in uns hineinspüren, merken wir, ob eine Sehnsucht vorhanden ist – ein inneres Feuer, das uns verzehrt und eine Saite in uns zum Klingen bringt, die bisher stumm war. Eine Sehnsucht, die sagt: Das ist es. Das ist jetzt zu tun. Dadurch werde ich ganz.
Auch unser Denken bestätigt viel Gutes, das daraus entstehen kann – für uns und für andere.
Frieden und Glückseligkeit werden das Ergebnis sein.
Wir stehen an einem Scheideweg.
Gehen wir diesen Schritt – oder nicht?
Wenn wir ihn ignorieren, wird der Ruf lauter. Er kann durch leidvolle Ereignisse noch verstärkt werden. Er kann uns plötzlich die Sinnlosigkeit unseres bisherigen Weges spüren lassen: eine Orientierungslosigkeit, eine innere Leere. Und plötzlich verliert all das, was uns bisher getragen hat, seine Kraft und Energie.
Doch genau darin liegt die Chance: zu erkennen, was unser neuer Weg ist. Mit diesem Ruf beginnt die Reise zu uns selbst – ein Abenteuer, das wir uns zuvor nicht vorstellen konnten. Wenn wir den Ruf jedoch nicht wahrnehmen, weil uns der Mut fehlt, stirbt etwas in uns.
Die Pflanze, die das Potenzial hätte zu wachsen, bleibt ein kleines Pflänzchen, das niemals erblüht. Ein Teil unseres Lebens bleibt ungelebtes Leben – und auch damit müssen wir eines Tages Frieden schließen.
3. Der Aufbruch

Wir machen uns auf den Weg. Vielleicht geschieht der erste Schritt im Außen – doch in Wahrheit geht ihm immer eine innere Wandlung voraus.
Es sind immer innere Entscheidungen, die äußere Handlungen hervorbringen.
Die korrekte Reihenfolge lautet: Wie im Innen, so im Außen.
Auf diesem neuen Weg begegnen uns neue, größere Herausforderungen – im inneren Erleben wie im Alltag. Immer wieder gilt es, sie zu lösen und daran zu wachsen.
Oft wissen wir nicht, wie wir das schaffen sollen – doch plötzlich erscheinen Helfer: Menschen, die uns neu begegnen. Impulse, die uns weiterführen. Innere Stärken, die wir an uns noch gar nicht erkannt hatten. Chancen, die wie aus dem Nichts auftauchen.
Wir tragen Kämpfe in unserem Inneren aus – und diese Kämpfe spiegeln sich im Außen wider. Mit jeder Schwierigkeit, die wir bewältigen, wachsen unsere Fähigkeiten. Wir werden auf eine höhere Aufgabe vorbereitet – oft, ohne dass wir es bereits erkennen.
Mit jeder Stufe der Erkenntnis werden wir klarer und sicherer. Und wir beginnen zu erkennen: Das Leben ist viel weiter, tiefer und schöner, als wir es uns jemals vorgestellt haben.
4. Die größte Herausforderung

Jeder Mensch hat ein Lebensthema – eine Aufgabe, die nur er selbst bewältigen kann. Dieses Thema begleitet uns ein Leben lang. Das bedeutet nicht, dass es einfach ist – im Gegenteil: Es ist die größte Herausforderung unseres Lebens.
Alles, was wir auf unserem bisherigen Weg gelernt haben, bereitet uns darauf vor. Es ist, als wäre ein verborgener Schatz von mächtigen Kräften bewacht; als wäre eine Tür vor uns, für die wir noch keinen Schlüssel besitzen; als würde ein mächtiger, feuerspeiender Drache den Zugang zur Höhle versperren; als wäre uns der Eintritt zu einem Schloss mit sieben Siegeln hermetisch verschlossen.
Diese letzte innere Hürde – dieses unüberwindbar scheinende Hindernis – ist genau das, was noch zwischen uns und der Entdeckung unseres Lebensschatzes steht. Es ist die größte Prüfung, die wir zu bestehen haben.
Vielleicht zeigt sie sich in Form von Überheblichkeit, Existenzangst, Unmäßigkeit, Besserwisserei, Zweifel, Neid, Verbitterung, Schuld, Grenzüberschreitung, Scham, Opferhaltung oder spiritueller Entfremdung. Was immer unser persönliches Lebensthema ist – es gilt, es zu erkennen, zu lösen und zu verwandeln. Wir haben einen langen Weg hinter uns, wir haben viel erkannt – und nun braucht es Mut, uns unserer größten Angst zu stellen.
Sobald dies geschieht, öffnet sich das Tor auf wundersame Weise – und der Schatz erscheint. In der Musik hören wir oft das Lebensthema eines Komponisten als Motiv, das sich durch das ganze Werk zieht. So ist es auch in unserem Leben.
Wir wurden durch das Leben vorbereitet. Nun geht es darum, dieses Thema zu erkennen, zu entschlüsseln – und uns der Herausforderung zu stellen.
5. Der verborgene Schatz

Wir betreten einen neuen Raum, in dem wir den Schatz entdecken. In Märchen ist oft von Gold, Diamanten und Edelsteinen die Rede – doch das ist Symbolik.
Es ist eine tiefe Symbolik für die Wandlung unseres Bewusstseins.
Unser Schatz liegt nicht im Außen:
Er ist nicht private oder berufliche Anerkennung.
Er ist nicht materieller Wohlstand oder andere irdische Dinge.
Der Schatz ist in unserem Inneren verborgen.
Es geht darum, unsere innere Reise zu vollenden – eins zu werden mit dem, woher wir kommen, und wohin wir gehen.
Zu erkennen:
- dass Trennung eine Illusion ist,
- dass wir eins sind mit allem und allen,
- eingebunden in das große Ganze,
- verbunden mit allen Menschen,
- verbunden mit dem Universum, dem All; manche bezeichnen es als allumfassende Intelligenz, das Ewige, das Mystische – manche nennen es auch Gott.
Dies ist der Schatz:
- ein unermesslicher Reichtum, der nie endet,
- eine Quelle, aus der wir unendlich empfangen und mit allem verbunden sind.
Wir treten ein in eine neue Welt, in einen neuen Bewusstseinszustand.
Wir werden zu unserem wahren Selbst.
Wir mussten Mut aufbringen, um diesen, unseren Schatz zu suchen – doch wir wurden dabei geführt.
Und schlussendlich wurde er uns geschenkt.
6. Die Rückkehr

Wir haben eine neue Erkenntnisstufe erreicht, einen neuen Bewusstseinszustand, der uns freier, glücklicher und friedvoller macht – aber auch mehr Verantwortung überträgt.
Nun stellt sich die Frage:
Was machen wir aus unseren neuen Gaben und Fähigkeiten?
Der größte Fehler wäre, sich in der Freude über das eigene Wachstum nur auf sich selbst zu konzentrieren. Denn dieser Schatz wurde uns nicht gegeben, um uns zu stärken, sondern vor allem, um ihn zu teilen.
Jetzt geht es darum, in den Alltag zurückzukehren – in das ganz normale Leben – und das Erkannte umzusetzen:
- Menschen zu ermutigen, so wie wir ermutigt wurden,
- Erkenntnisse zu teilen, so wie sie mit uns geteilt wurden,
- Andere zu unterstützen und ihren Weg zu finden – so wie wir unterstützt wurden.
Heißt das, dass wir nun keine Schwierigkeiten mehr erleben? Nein.
Heißt das, dass uns Leid erspart bleibt? Nein.
Doch wir gehen anders damit um: bewusster, gelassener.
Seien Sie gewiss: Wir bekommen nur die Herausforderungen, die wir auch bewältigen können.
Wir erkennen: Alles dient unserem Lernen und Reifen. So werden wir in unserem Leben zu dem, was wir sind – und wachsen zur vollen Blüte.
Erst die Blüte ermöglicht es uns, den Samen weiterzugeben, der in uns angelegt ist – so wie es auch in der Natur geschieht. Schlussendlich werden auch wir verblühen – und selbst zum Samen werden.
Der Kreis schließt sich – und neues Leben beginnt.